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Der Focusing-Blog

Die Kraft des Humorvollen in uns

Die Kraft des Humorvollen in uns

Eine Antwort auf Julias kleine Rampensau von Eva Gregor

Als Julia mir von ihrem „Rampensau-Artikel“ erzählte und ich ihn am selben Nachmittag noch las, war mein erster Gedanke: „Hammer. Das hat sie wieder mal eben so aus dem Ärmel geschüttelt. UND mir dabei aus der Seele geschrieben.“

Der zweite Gedanke war: „Könnte ich doch auch nur so spontan mein Inneres in Sprache und zu Papier bringen.“

Der dritte: „Kann ich aber leider nicht.“

Und damit war das Thema bis auf weiteres auf für mich altbekannte Weise erledigt.

Zumindest bis wir uns ein paar Tage später zur „Seelenplätzchen 2022“-Besprechung trafen. Ein Blick in unsere Kalender zeigte: Die sind ganz schön voll, deutlich voller als vor zwei Jahren, denn da war ja Corona und alles viel langsamer und leerer, zumindest unsere Kalender.

Und prompt ging es wieder los in mir: Oje. Das schaffe ich nicht. Mist. Warum habe ich das nicht besser geplant?? Das wird stressig! Ich habe gar keine Zeit für Seelenplätzchen!!!! Und überhaupt, Seelenplätzchen aufnehmen? Ich?? Ich habe doch komplett vergessen, wie das geht mit der Technik. Und bestimmt habe ich keine guten Ideen. Und wenn ich sie habe, fehlen mir die Worte. Ich habe ja meine Sprache noch gar nicht gefunden, ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll. Und außerdem - so ein Podcast, da kriege ich doch gar nicht mit, wie die Leute, die sich das anhören, das finden!!! Da spreche ich was ins Off und kann nur hoffen, dass sich nicht alle da draußen dabei langweilen, mit den Augen rollen, genervt abschalten, meine Plätzchen - nein, MICH - belächeln, doof finden, womöglich unmöglich.

Zeitgleich mit diesem Gedanken-Tsunami ein körperliches Gefühl von Stillstand, Kraftlosigkeit, Luft raus, alles schlimm, Leere.

Und ganz im Hintergrund die ebenso bekannte Leier, nur deutlich leiser: „Siehst du, ich sag’s doch. Du packst das einfach nicht. Wäre zwar schön gewesen, aber naja, is’ ja nix Neues.“

Ja, und zum Glück war da Julia, und zum Glück haben wir Focusing, und zum Glück können wir miteinander über uns selbst und unsere Ticks, Macken, Muster, Eigenarten, inneren Nervensägen und Angsthasen und Jammerlappen wunderbar lachen.

Aber erst einmal hat Julia das gemacht, was so kostbar und heilsam ist, und was im Focusing wie auch im miteinander Sprechen einen wesentlichen Unterschied macht: Sie ist bei mir und meiner Kritikerattacke geblieben. Sie hat sich freundlich für mich und das, was gerade „mit mir los“ war interessiert, hat mir Fragen dazu gestellt, mir Zeit gegeben, und das obwohl das nun weiß Gott nicht das erste mal war, dass sie sich das bzw. sowas Ähnliches von mir angehört hat.

Das war schon mal das erste kleine Wunder: Jemand bleibt da, wenn ich mich jämmerlich fühle und darin feststecke. Ohne das Jämmerliche weg machen zu wollen. Krass!

Lange genug ist sie bei mir geblieben, damit das zweite kleine Wunder geschehen konnte: Ich konnte mich innerlich aus dieser Kritiker-Loser-Kritiker-Endlosschleife so weit lösen, dass etwas anderes in mir Raum bekam, sich zu zeigen. Das, was sagte: „Keinen Bock mehr auf diesen Sch…. Das geht seit Jahrzehnten so, nicht immer, aber viel zu oft. Es reicht. Das ist langweilig, ich kann mich selbst nicht mehr hören. Ich weiß doch schon längst, dass ich mehr bin als meine Gedanken, mehr als meine Gefühle, mehr als mein Körper. Wie wäre es, mich auch mal entsprechend zu verhalten?! Ich habe keine Lust, dass das olle „Ich schaff’s nicht na siehst du hab’s doch gesagt“-Programm weiterhin die Regie führt! Das blockiert meine Seelenplätzchen-Schaffenskraft schon das ganze Jahr, und nicht nur die, by the way! Schluss damit! (innerliches mit dem Fuß Aufstampfen)“

Das war schon mal gut, da war wenigstens wieder Energie, wenn auch eine ziemlich genervte und noch nicht wirklich vorwärts gewandte. 

Das Gute an diesem „Alter, du nervst!“-Teil, der da in mir aktiv wurde, ist: Wenn der sich zeigt, ist meistens das Lachen nicht weit. Das kenne ich von mir und aus vielen Focusing Sessions mit Focusing Partner*innen und Klient*innen, aus Therapiesitzungen und Gesprächen. Wenn wir in der Lage sind, unseren inneren und äußeren Eiertanz mit etwas Abstand und am besten mit einer wohlwollenden Begleitperson (Julia, ich bin dir so dankbar!!!!) zu betrachten, dann gesellt sich oft ganz von allein der Humor dazu und schenkt uns das befreiende Lachen, das alles leichter und fließender macht. Plötzlich reißt der innere Himmel auf, Sonne und blau blitzen durch, es wird hell und lebendig. Oder, um es focusingmäßiger zu formulieren: der vorwärts fließende Strom der Lebensenergie, dem wir uns im Focusing anvertrauen, bringt das Humorvolle hervor, eine innere Instanz, die Leichtigkeit und Weite möglich macht, wo es vorher schwer und eng und festgefahren war.

So auch diesmal: Lachen!!! Plötzlich war da wieder Platz und frische Luft in mir, (Schaffens)Kraft und -Lust und Freude. Ein Bild entstand vor meinem inneren Auge: Wie ich einen Schritt zur Seite mache, raustrete aus der Kritiker-Verlierer-Verstrickung und einfach losgehe und Seelenplätzchen backe, die vielleicht nicht für alle, aber einigermaßen wahrscheinlich für einige Menschen irgendwie hilfreich sind. Während das olle Kritiker-Ding weiter seine Schleifen dreht, ständig in sich selbst kreisend und noch nicht mal merkt, dass ich längst weiter gelaufen bin.

„Wie wäre das?" fragte es leise neugierig und gespannt in mir. Eine Ahnung von bislang unbekannten Möglichkeiten stieg auf und das Echo einer der vier Fragen von Byron Katie: „Wer bin ich ohne diesen Gedanken?" Ja, wie wäre es zu leben, ohne diesen alten, so vertrauten, dadurch sicheren aber eben auch ziemlich deprimierenden Kreistanz mit dem Kritischen und Ungenügenden in mir? Schließlich bin ich mehr als nur meine Gedanken, Gefühle, körperlichen Empfindungen, Prägungen und Muster.

Ein Lächeln breitet sich aus.

Julia und ich haben beschlossen, dass die kleine Rampensau und mein Kritiker-Eiertanz einfach mit dabei sein dürfen bei den diesjährigen Seelenplätzchen. Sichtbar und hörbar. „Seid ihr wahnsinnig????“ tönt es irgendwo in mir. „Keine Sorge, das wird lustig“ antwortet es von woanders.

Auch dazu verhilft uns Focusing: Mutschritte tun. Authentisch sein, immer ein bisschen mehr. Unseren Schrägheiten mit Humor begegnen. Und auf dem Weg immer wieder kleine Wunder erleben.

Foto:    by Priscilla Du Preez on unsplash

 
 
 

 

Eva


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