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Der Focusing-Blog

Es gibt keine festgelegten Pfade

Es gibt keine festgelegten Pfade

Kreativ-meditative Workshops für Frauen - wenn Kunsttherapie und deine Imagination auf Focusing treffen.

Ein Beitrag von Melanie Werth

 

Durch die Kinderfocusing Ausbildung bei Bettina kam ich 2022 auf die Idee, Focusing ganz kreativ für Frauen anzubieten, was ich seitdem monatlich mache.

Frauenkreise hat es immer schon gegeben und ohne den Männern auf die Füße treten zu wollen, sind sie hier ausgeschlossen. Das hat verschiedenen Gründe. Erstens haben sehr viele Frauen Gewalt in ihren verschiedensten Formen durch Männer erfahren, oft liegen Wunden über mehrere Generationen (und Leben) in ihnen verborgen. Hierfür ist ein Raum nur für Frauen heilsam und schützend. Wir sind verbunden, durch das gemeinsame Leben in einem weiblichen Körper mit seinen spezifischen Funktionen, Möglichkeiten, aber auch den Schwierigkeiten. Es gab bereits in ganz alten Kulturen reine Frauenkreise, wie sie z.B. in den Menstruationshütten stattfanden. Auch hier ging es um die schwesterliche Vertrautheit, wie sie auch in meinen Workshops stattfindet.

Als Kunsttherapeutin weiß ich um die heilende Kraft der Farben, der Formen, des Malens, des Kreativseins. Focusing bereichtert und füttert dieses Verständnis und verbindet sich auf wunderschöne Weise miteinander.

Wir treffen uns einmal monatlich per Zoom und schaffen in einem sicheren und kleinen Raum (5-7 Teilnehmerinnen je Gruppe - mittlerweile gibt es zwei) eine sehr intime und nahe Verbindung zueinander. Gefördert wird dieses Gemeinschaftsgefühl unter anderem von der Grundhaltung von Focusing: alles da sein zu lassen, weich und annehmend. Manche kommen jeden Monat, manche ab und zu. Und jede Neue wird herzlich willkommen geheißen.

Zunächst gibt es einen kleinen Austausch miteinander und eine kleine Einführung in das Thema. Die anschließende Meditation lädt ein, das Innere körperlich zu erforschen, in sich selbst auf die Reise zu gehen. Neben Focusing haben noch andere Elemente Platz in meiner Arbeit. So haben Schamanisches Reisen, aktive Imagination nach C.G. Jung, R-CS (re-creation of the self, eine aus Hakomi stammende Theorie), Sufismus, Magie, Mystik und weitere interessante Elemente immer wieder ihren Platz. Es ist meist „focusingorientiert“ und nicht 100 % Focusing, was mir in meiner kreativen Arbeit zu eng wäre. Die Frauen gehen meditativ-focusingorientiert auf ihre eigene Entdeckungsreise in ihrem Inneren und schreiben und malen im Anschluss auf, was ihnen begegenet ist.

Die Reisen sind so konzipiert, dass jede genug Freiraum hat, sie ganz individuell für sich zu gestalten. Es gibt keine festgelegten Pfade. Jede darf ihren eigenen Weg gehen und ihre eigene Wachstumsrichtung entdecken. Wie unterschiedlich und doch auch ähnlich wir sind, zeigt sich dann im Teilen des Erlebten und im Zeigen der Bilder und Texte. Es ist immer wieder berührend zu sehen und zu hören, was entstanden ist. Wo es jede Einzelne hingezogen hat und wo ihre shift-Momente waren.

Wenn du magst, kannst du es (auch als Mann! ;-)) gleich einmal ausprobieren:: Geh in eine innere Achtsamkeit und verbinde dich liebevoll mit dir und deinem Körper. Heiße dich willkommen. Nimm dir Zeit, immer mehr bei dir anzukommen. Geh dann in dir auf die Suche nach einem guten Ort in deinem Körper… Lasse dich dort nieder… Geh, wenn du magst, hinein… Und beobachte dich dabei… Wie geht es dir?… Wie siehst du aus?… Von dort aus starte deine Imagination… Eine Reise deiner Fantasie…. Wende dich einem bestimmten Thema zu und gehe los, mit der Intention, auf deiner Reise eine Lösung zu bekommen.… Wer begegnet dir?… Was erhältst du für Antworten?… Wie veränderst du dich im Laufe deiner Reise?…

Am Ende gehst du wieder in den guten Ort deines Körpers zurück und schaust dich wieder an. Wie siehst du jetzt aus?… Hast du etwas dabei?… Was davon war hilfreich für dich?… Welches innere Bild ist entstanden?… Ich lade dich ein, deine Reise aufzuschreiben und Teile davon zu malen. Dir auch dafür wirklich die Zeit zu nehmen.

Das ist nur ein kurzes und sehr kleines Beispiel für das Eintreten in den „mundus imaginalis“, wie Henry Corbin[1], ein Islamwissenschaftler, es genannt hat. Oder durch die Tür des Schranks in Narnia[2] zu gehen. Wer sich damit näher beschäftigen möchte, melde sich bitte bei mir. Es ist unfassbar interessant! Dazu möchte ich auch auf das „Liber Novus“ von C.G. Jung[3] hinweisen, in dem er seine Träume und Visionen aufschrieb und auch malte. Ein großes, kostbares, besonderes, einzigartiges Werk! Und ich möchte dich ermutigen, ein Traum-Tagebuch zu führen. Auch Gendlin hat sich mit der Bedeutung von Träumen befasst und empfiehlt das Aufschreiben der Träume.

Denn alles ist miteinander verbunden. Deine Träume können ein wichtiger und kreativer Schlüssel werden zu einem immer größeren Verständnis von dir und dem, was sie dir mitteilen wollen. Es ist ein kreativer und immer feiner werdender Weg.

Zurück zu unserem Workshop. Bei allem Schweren, Schmerzhaften und Dunklen, was auch immer wieder auftaucht und Teil von uns ist, kommen wir in der Regel alle zu einem guten Ende. Es geht in eine Richtung, die sich gut anfühlt und wo das Leben, der Körperimpuls, uns hinzieht.

Und wenn nicht? Gendlin hat das Beispiel, dass es dann darum geht, solange vor der Mauer miteinander zu zelten, bis das Gegenüber darüber springen mag oder kann. Auch hier kann durch die Frauen der Gruppe eine haltende Funktion da sein, die das übersteigt, was eine einzelne Therapeutin leisten kann. Gendlin hat ja ganz ähnliche Prozesse in den „change“ Gruppen initiert. Im Lauschen auf das Innere liegen so viele Geheimnisse und wundervolle Erkenntnisse verborgen. Durch das Malen können sie sichtbar werden. Im Wort werden sie verankert. Können sie sich hier auf der realen Ebene manifestieren. Manchmal verstehen wir die Symbole und Zeichen nicht, dann dauert es ein paar Tage oder Wochen.

Dann male vielleicht noch ein Bild. Auch das Bild verändert sich, ist mit dir im Prozess.

Die innere Weisheit ist nicht zu unterschätzen und wir können immer feiner lauschen, je öfter wir uns ihr zuwenden. Das Wissen, sowieso immer im Prozess zu sein, wie Gendlin im Prozess-Modell ausgearbeitet hat, hilft dabei ungemein. Alles ist in Bewegung, im Fluss. Dinge erklären sich nicht gleich, ergeben oft später einen Sinn. Es ist manchmal wie ein inneres Aufatmen, wenn wir auch das da sein lassen. Dann kann es sich mit der Zeit entwickeln und entfalten.

Im Laufe der Zeit wurde es wichtig, den Raum „wirklich“ zu schützen, um Sicherheit für jede Frau zu schaffen. Jede von uns trägt Trauma in sich und es ist nicht zu unterschätzen, was ein sicherer Raum für einen Unterschied macht. Hierzu verbinden wir uns miteinander mit dem Versprechen, uns gegenseitig zu halten, schaffen einen liebevollen und getragenen Ort. Oft reicht das Aussprechen bereits aus. Es gibt aber verschiedene Techniken, einen Schutzraum aufzubauen, schamanisch oder magisch. Das ist manchmal zu Beginn der Meditation nötig, manchmal nicht.

Weinen darf sein, sich verletzlich zeigen darf sein, Freude teilen genauso wie Schmerz. Der Raum beinhaltet aber noch etwas anderes. Und das ist etwas Größeres, als wir erfassen können. Das kann jede individuell für sich benennen. Für mich ist es ein Gehalten werden von Ahninnen, Mutter Erde, etwas Himmlischem. Es ist etwas Spirituelles, was wir alle spüren und und da sein lassen.

Gendlin betrachtet Focusing nicht nur als eine Technik zur Hilfe und Selbsthilfe, sondern auch als einen Weg, um eine tiefere Verbindung zu sich selbst und zu anderen herzustellen. " Focusing is a way of experiencing that goes beyond the ego,  beyond the personal self,  into a deeper,  more fundamental sense of being ".4  (Focusing ist eine Art des Erlebens, das über das Ego, das persönliche Selbst hinausgeht, in ein tieferes, grundlegenderes Gefühl des Seins.)

Was ich an den Abenden so liebe, ist eine tiefe Verbundenheit. Eine Liebe, die uns trägt. Und unser Respekt und unsere Achtung und Wertschätzung voreinander. Ich gehe aus jedem Abend beschenkt heraus. Beschenkt von der Weisheit, der Stärke, der Wachstumskraft und Kreativität jeder einzelnen Frau.

Der nächste Workshop zum Thema „Dein Mandala“ findet am 6. und 7. Mai jeweils um 19 Uhr per Zoom statt.

Am 3. und 4. Juni geht es voraussichtlich um die „Vogelgespräche“, ein altes Sufi-Märchen.

 

[1] Henry Corbin, Vortrag „Mundus Imaginalis“, 1979, „Die smaragdene Vision“, 1989

[2] C. S. Lewis, „Die Chroniken von Narnia“, 1950-56

[3] C. G. Jung „Liber Novus“ oder „Das rote Buch“, 2009

[4] E. Gendlin " Focusing - Orientierted Psychotherapy 1981

 

Melanie1


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